Luppenau

Neuntes Sommercamp der Kinder-und Jugendfeuerwehr Schkopau  in Burgliebenau (23.-25. 08.13)

SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - September 2013
Autor: Ilja Bakkal

Der Hecht ist 5,20 Meter lang und  55 Zentimeter breit. Wegen seiner roten Farbe und der Mission, in der er am Sonnabend zur Mittagsstunde in Richtung Burgliebenauer Strand unterwegs war, empfand er sich als Dienstfahrzeug  der Freiwilligen Feuerwehr Luppenau. Luppenau steht auch am Heck des Kajaks, dessen Fahreigenschaften es durchaus für raue See qualifizieren: zum Paddeln, nicht zum Fotografieren. Dabei war die Idee, das Badetreiben der 160 Kinder mit ihren 60 Betreuern vom Wasser aus aufzunehmen, durchaus originell. Weil hierzu die Hände ihre eigentliche stabilisierende, vorwärtstreibende Tätigkeit unterbrechen mussten, wirkte die Szene auf die 6  aufsichtsführenden Rettungsschwimmer der DLRG- Gruppe Merseburg- Leuna derart unbeholfen, dass sie die letzten Meter sprungbereit im Auge behielten. Das beruhigt mich noch nachträglich.

Die DLRG begeht in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Die erwähnte Ortsgruppe hat ca. 260 Mitglieder. Das sind Rettungsschwimmer, Bootsführer, Sanitäter sowie die Kinder- und Jugendschwimmgruppe. Die Ausbildung beginnt mit dem Erwerb des Seepferdchenabzeichens. Die nächste Etappe ist der Juniorretter mit 10 Jahren, mit 12, 15, und 16 Jahren werden die Rettungsschwimmerabzeichen Bronze, Silber und Gold abgelegt. Danach kann der Dienst  vom Waldbad bis zur Ostsee angetreten werden. Die gigantischen schwimmenden Spielgeräte, die neben den Booten von Feuerwehr und Wasserwehr die Attraktion des Strandes waren, wurden von der DLRG- Landesgruppe SA gestellt.

Zunächst war da der reine Badespaß, bereichert durch Mitfahrgelegenheiten auf den Booten. Viele Jungen und Mädchen mit oranger Schwimmweste fuhren Runde für Runde, machten aber auch bereitwillig Platz für die Wartenden. Es war nicht nur der Rausch der Geschwindigkeit, das war das Erleben der Natur, das Erfassen der Dimension, welches Areal uns hier zur Verfügung steht.


Plötzlich wurde dieses friedliche Sommerferienlagerbadeidyll durch die Ankunft des blauen Bootes der Wasserwehr unterbrochen, welches irgendwo im See Neptun mit zwei einschlägigen Jungfrauen aufgefischt hatte. An ihnen klebten noch Reste von Netzen mit Schnecken und allerlei Krebsgetier. Während die Assistentinnen auf ihre Art adrett daherkamen, wirkte der Herr mit dem Dreizack furchterregend, war unsagbar schmutzig und teilweise mit grünen Algen bewachsen. Weil vermutlich seit Jahrzehnten niemand mehr eine Rasierklinge in den See geworfen hat, schien  sein Gesicht von derart verwildertem und zerzaustem Bartwuchs entstellt, dass nicht einmal mehr die Augen zu erkennen waren. Und dieser Unhold hatte noch die Stirn, mit Donnerstimme nach anwesenden schuppenlosen Zweibeinern zu rufen, um sie sich mittels einer Taufe untertan zu machen. Dazu wurden die

Armen mit Seewasser begossen, was trotz sommerlicher Temperaturen durchweg unangenehm war, jedoch völlig harmlos, gegen einen infernalischen Sud aus Heringslake, Silage und vermutlich einem Ausstrich des Bartes. Die aufgerufenen unschuldigen Wesen folgten in Ermangelung einsatzbereiter Häscher bereitwillig dem Befehl und reinigten sich anschließend in den Fluten. Nur Einzelne versuchten ihr Heil in der Flucht, wurden in zumeist dramatischen Szenen von Kollaborateuren aus den eigenen Reihen eingefangen und ihrem Schicksal zugeführt. Dennoch ließen sich an den Täuflingen beeindruckende Veränderungen feststellen. Achten Sie doch einmal darauf, mit welcher Physiognomie Vanessa aus Luppenau die Prozedur erträgt, ( www.luppenau.de Sie können sicher sein, dass ich Ihnen die schlimmsten Bilder vorenthalte und auch niemals herausrücken werde.) danach wie ein fliegender Fisch ins Wasser schnellt und vollständig untertaucht. Nach geraumer Zeit steigt sie als Grazie an den Strand, ohne irgendwelchen Glibber,  Bitterlinge, Muscheln, Kammmolche oder gar schleimige  Scheingrüne Phenolbeißer am Körper.
Wer kann erklären, warum anderen Wesen, die am oder im gleichen Wasser leben, die unverfälschte Freude daran vergeht, sie ganz grün am Körper werden und eine so üble Suppe kochen, dass ich mir ernsthaft überlege, zum nächsten Neptunfest ein Eimerchen Listerine mitzubringen?
Der Herr über  Meere, Flüsse, Seen, zuflussreduzierte verschlammte Gewässer zweiter Ordnung  und Pfützen verschwand, wie er gekommen war. Aber Kinder, ganz tief unten, wo früher die Bagger standen und kein Fisch mehr lebt, weil es so dunkel und salzig ist,  wird er warten, bis zum nächsten Jahr. Seid auf der Hut! Hoffentlich lässt er die Jungfrauen frei, die werden hier oben gebraucht, bei der Feuerwehr.


Auch auf dem ausgetrockneten Rasen des Zeltlagers erlebten die Kinder eine kurzweilige Zeit mit Spielen, Trampolin, Kletterwand, Wettkämpfen, Diskothek, Hundevorführung, Essen, Waschen und Zähneputzen an einem mobilen mehrhahnigen Kaltwasserwaschtrog und Schlafen im Zelt. Vermutlich bedurfte es gar keiner pausenlosen Animation. Das Lagerleben an sich war fast schon genug, die Freundschaft untereinander, die Fürsorge der Großen gegenüber den Kleinen und was mich immer wieder beeindruckt, die Disziplin, die die Betreuer mit einer optimalen Mischung aus Autorität und Liebe aufrechterhalten. - Wo ist Deine Brille? Zieh dir etwas an, auch wenn du nicht frierst, die Lippen sind schon blau. -  Da waren nicht nur 14 Säcke Flöhe zu hüten, sondern auch auf deren Equipment aufzupassen. Drei Teile wurden zur Abschlussveranstaltung ihren Besitzern zugeführt, lediglich eine einzelne Socke musste entsorgt werden. Völlig nebensächlich? Eigentlich ja, aber wohl auch ein Indiz für die Qualität der Betreuung!

Wer Neptun überstanden hatte, müsste sich eigentlich nicht vor einer Nachtwanderung mit Gruseleinlagen fürchten. Nur, nachts ist es dunkel, und deshalb fürchtet man sich doch, da flog plötzlich ein Ast auf den Weg, der wie eine Würgeschlange aussah, oder so ein halbstarkes Waldungeheuer kam brüllend und armefuchtelnd auf uns zu gerannt. Wie schrecklich…Hat da jemand geweint? Es sah ja keiner, wegen der Dunkelheit. Aber eine Hand zum Anfassen fand sich trotzdem. Und wer sagt denn, dass es eine Träne war, eher ein Löschtröpfchen, wir sind schließlich bei der Feuerwehr.
Das eigentlich Schlimme kam am Sonntag. Es war vorbei. Letztes Antreten, Siegerehrung, Dankeschön,  ein Abschied mit noch mehr Dankeschön und echten Tränen. In der zweiten Reihe, hinter den Kindern, standen Vertreter der Lokalpolitik. Andere waren zur Eröffnung oder zwischendurch dabei. Lokalpolitiker die eine Botschaft vermitteln: Tut das, genießt das, seid euch bewusst in welch wunderbarer Umgebung ihr lebt, lernt die Verantwortung dafür zu übernehmen!

Ihr habt nicht nur jeden Erdnagel herausgezogen, sondern auch das kleinste Bonbonpapier aufgesammelt. Vermutlich werdet Ihr Euch auch an den übrigen Tagen des Jahres gleich verhalten. Damit ist mehr für die Natur getan, als sich mit Verboten und Reglementierungen erreichen lässt.
Ich verließ das Zeltlager nicht, ohne mich über das gebrochene Bein der verantwortlichen Jugendwartin Andrea Hermann zu erkundigen, das zeitweise stilecht vor dem Führungsfahrzeug auf einer roten Plastikkiste abgelegt war und zur Folge hatte, dass Nadin Burghardt und Ron Hermann die Organisation bewältigen mussten, ihrerseits aber auf die Jugendwarte aus Lochau, Luppenau, Ermlitz, Röglitz, Hohenweiden, Wallendorf, Burgliebenau, Zöschen, Knapendorf, Raßnitz, Döllnitz, Schkopau, Dörstewitz und Korbetha verwiesen.
Auf der Rückfahrt begleitete mich am Ufer ein Milan. Beinahe ohne Flügelschlag schwebte er über dem Schilfgürtel, stieß einige Male ergebnislos hinab um wiederum aufzusteigen und seinen Weg unbeirrt fortzusetzen.

Anmerkung
Verehrte Leser, manchem kann sich der Sinn dieses Beitrages nicht vollständig erschließen. Selbstverständlich hat uns Thomas Nikolai als Neptun einen Heidenspaß bereitet, und ich bitte ausdrücklich, keine Rasierklingen oder anderes Schneidgerät in den See zu werfen. Alle mit der Organisation und Genehmigungsbürokratie dieser traditionellen Veranstaltung Betrauten, die Jugendwarte, Wehrleiter, Bootsführer, Betreuer und viele mehr, werden das Geschriebene und das Gedachte als Dank für ihr Engagement verstehen,  das in seiner Gesamtheit bedauerlicherweise nicht nur auf Wohlwollen und Unterstützung trifft.
Man sollte jedem Kind wünschen, ein Stück seines Weges mit solchen sozial kompetenten,  charakterprägenden Organisationen wie der Feuerwehr oder der DLRG gehen zu dürfen.
Den „Scheingrünen Phenolbeißer“ werden Sie nicht in Brems Tierleben finden, dafür in der Aprilausgabe des Kuriers 2011 („Gedanken zu einem Bild“ v. I.B.). Leider ist dieses kleine, grüne, glitschige Luppemonster, auch vor der Wahl am 22. September dieses Jahres, immer noch aktuell, wenn auch nicht zuständig.

Ilja Bakka